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Ethel Olive Doreen Potter

Out of many – one people: Doreen Potter – musikalische Botschafterin der weltweiten Ökumene

Ein Beitrag von Ulrike Schierenberg/Hanne-Lore Reetz

Ethel Olive Doreen Potter Copyright: privat

Lebensdaten:

1925 - 1980

Unter weiteren Namen bekannt als:

Ethel Olive Doreen Cousins


Beziehungen

Der Grundton, mit dem Doreen Potter aufwächst, der Calypso, ist das Band, das sie lebenslang mit ihrer Heimat verknüpfen wird. Nicht nur im musikalischen Sinn: der Calypso verbindet sie mit der Geschichte ihrer Vorfahren in der Karibik. Es ist die Musik der Sklavinnen und Sklaven, zu deren Nachfahren die Karibikbewohner allesamt zählen, seien ihre Wurzel mehr afrikanisch oder stärker indianisch. Für die „Nachkommen derer, die überlebt haben“ (Philip Potter, zitiert nach Traitler: 350)  ist diese Musik Teil ihres kulturellen Erbes, und auch Doreen Potter wird damit groß. Zugleich prägt sie das reiche Liedgut der Methodistischen Kirche.

Sie wird am 28. März 1925 als drittes von sechs Kindern in eine methodistische jamaikanische Pfarrersfamilie geboren. Ihre Eltern leben zu der Zeit allerdings in Panama. Der Vater Claude Simpson Cousins betreut dort eine Auslandsgemeinde von Arbeitern und Ingenieuren, die zum Bau des Panamakanals aus der gesamten Karibik nach Panama geströmt waren. Erst, als Doreen  sechs Jahre alt ist, kehrt die Familie nach Jamaika zurück.

In der Ursprungsfamilie von Doreen spiegelt sich die für die Karibik so bezeichnende Multikulturalität wider: beide Eltern haben sowohl afrikanische wie indianische Wurzeln, aber zu den Ahnen zählt ebenso ein englischer Arzt väterlicherseits wie irische Vorfahren mütterlicherseits. Als Doreen geboren wird, ist Jamaika noch britische Kronkolonie. Die Unterdrückung durch die Kolonialherren, das damit einhergehende Leiden der Völker dieses Erdteils hat unauslöschliche Spuren in jeder Familie hinterlassen. Für Doreen‘s Vater erwächst aus diesem „echo in the bones“ sein Selbstverständnis als Pfarrer: Als Christ sieht er seinen Platz an der Seite der kleinen Leute, der Armen.

Die Mutter unterrichtet die kleine Tochter selbst im Klavier- und Violinspiel, es wird viel gesungen und dazu getanzt – die Liebe zur Musik ist die Konstante im Kinderleben von Doreen, einem Leben, das ansonsten von vielen Umzügen, Schulwechseln und dem Immer-wieder-sich-gewöhnen-Müssen an neue Umstände geprägt ist. Doreen verfolgt ihre musikalische Ausbildung treu durch die Schulzeit und führt sie konsequent auch neben ihrer Berufstätigkeit als Verwaltungsangestellte in der Provinzstadt May Pen weiter. Denn sie hat ein ehrgeiziges Ziel: ein Musikstudium in England. Genauer: sie möchte Kirchenlieder komponieren! Ein exzentrischer Plan ohne finanzielle Mittel!  Doch Doreen ist ein willensstarker Mensch – sanft, aber mit klarer Vorstellung von dem, was sie möchte, und das setzt sie auch durch: Sie treibt ein privates Darlehen auf und zieht 1951 zum Studium nach Liverpool. Sie macht eine Lehrerinnenausbildung am St. Katherine's College, das sie 1953 mit einem Spezialdiplom in Musik abschließt. Ihre Examensarbeit schreibt sie über Bach's Matthäuspassion. Sie besteht die Abschlussprüfung mit Bestnote!

Gleich anschließend wechselt sie an die renommierte Royal Academy of Music in London, sie hat als Externe die Aufnahmeprüfung geschafft und kommt so ihrem Traum ein Stück näher. Erste Liedkompositionen fallen in diese Zeit. Für zwei geistliche Lieder erhält sie bereits einen Preis in einem Kompositionswettbewerb.

1956 heiratet Doreen Philip Potter, den späteren Generalsekretär des ÖRK, den sie schon lange kennt. Er ist mit verschiedenen Aufgaben zunächst in der Jugendabteilung des ÖRK betraut, die ständige Ortswechsel erfordern. So folgen unruhige „Wanderjahre“ für das Paar, bedingt durch die wachsende Prominenz von Philip: New York – Genf – London – ab 1967 wieder Genf. Jahre mit schmerzlichen Erfahrungen: Fehlgeburten, langen berufliche Abwesenheiten des Partners, das Paar bleibt kinderlos.

Seit ihrer Heirat führt Doreen ein Leben als „Frau von“, ein traditionelles, um den Ehemann herum arrangiertes Dasein. Alles, was Doreen tut, geschieht im „Nebenbei“, fast all ihre Tätigkeiten sind im Ehrenamtlichen angesiedelt. Sie hält ihm den Rücken frei für seine aufreibende Arbeit, in der sich „privat“ und „dienstlich“ nur schwer voneinander abgrenzen lassen. Als „First Lady“ des Rates der Ökumene ist sie ständige Gastgeberin für Menschen aus aller Welt.

Wirkungsbereich

Musik ist das Lebenselixier von Doreen Potter und zugleich “our strongest cultural bond“ (Philip Potter). In Genf finden regelmäßig private singing sessions bei Potters statt. Im Jahre 1967, mit 41 Jahren, nimmt Doreen Potter ein Fernstudium im Fach Komposition auf. In der schottischen Kirche in Genf ruft sie einen Chor ins Leben, und im ÖK Zentrum selbst leitet sie einen kleinen informellen und jeweils sich wieder neu formierenden Chor, begleitet aber auch den Gemeindegesang. Ihre Musik, so berichtet es Philip Potter, füllt die Andachten im Zentrum mit Besuchern, belebt sie mit ihren Liedern und macht sie für die Mitarbeitenden wieder verlockend!

Eines ihrer Lieder hat auch in unser Gesangbuch Eingang gefunden:

Kommt mit Gaben und Lobgesang (EG 229)

Es ist wohl Doreen Potter‘s bekanntestes Lied. Sie hat eine jamaikanische Melodie adaptiert (Linstead Market) und zu diesem Volkslied einen vierstimmigen Satz geschrieben. Dieses Anfang der 70iger Jahre entstandene Lied ist mit unterschiedlichsten Texten unterlegt worden und hat Eingang in viele Gesangbücher Europas, Asiens und der Karibik gefunden. Die „Welturaufführung“ dieser Komposition fand 1975 in den Gottesdiensten der Vollversammlung des ÖRK in Nairobi statt. Veröffentlicht wurde es 1975 in einer Liedsammlung mit dem Titel „Break not The Circle“, die 20 Kompositionen von Doreen enthält, alle zu Texten von Fred Kaan.

Fred Kaan arbeitet seit 1970 ebenfalls in Genf als Generalsekretär der Reformierten Kirchen. Doreen Potter lernt seine Texte kennen, die theologisch ihrem eigenen Denken verwandt sind. Die Verbindung von Glaube und gesellschaftlichem Handeln, „social holiness“ (= der zentrale Begriff, den die Methodisten für diese Theologie gefunden haben) ist das zentrale theologische Anliegen von Kaan und Doreen. So entwickelt sich zwischen Kaan und Doreen Potter eine äußerst fruchtbare Zusammenarbeit, a partnership in hymnody (Erik Routly). Fred Kaan und Doreen Potter ergänzen sich ideal: beiden ist die Zusammenarbeit als gemeinsamer kreativer Prozess wichtig.

Zu einigen ihrer Lieder hat Doreen selbst auch den Text geschrieben. So für „Jesus where can we find you?“ (Der Notentext ist unten im Downloadbereich als pdf aufzurufen.)

R. Traitler, die den Text auch ins Deutsche übersetzt hat, beschreibt lebendig, wie dieses Lied entstanden ist: „Auf einem Korridor, in einer Mittagspause, haben wir uns zufällig getroffen. ‚Willst du mitkommen, ich hab ein neues Lied‘ hat sie mich eingeladen, und so haben wir beide auf der Orgelbank der Kapelle des Oekumenischen Zentrums gesessen. ‚Jesus, where can we find you, in our world today?’ Sie spielte das Lied, und wir sangen es zusammen, immer wieder, ganz selbstvergessen, bis wir plötzlich merkten, dass wir nicht allein waren. Die chilenischen Frauen und Männer, die draußen im Foyer mit einem Hungerstreik gegen ihre Ausweisung aus der Schweiz protestierten, waren nach und nach in die Kapelle gekommen, und plötzlich sangen sie mit. ‚Jesus, among the refugees, can we find you there?’ Wir haben das Lied gleich weitergeschrieben.“

Einer breiteren Öffentlichkeit ist Doreen Potter zu Lebzeiten letztendlich durch ein Großprojekt des ÖRK bekannt geworden.

1968 wurde in Genf der Beschluss gefasst, dass der ÖRK die Herausgeberschaft eines neuen Cantate Domino, des seit 1924 existierenden Ökumenischen Gesangbuches, übernehmen sollte. Traitler schreibt dazu: „Man war sich einig, daß es notwendig war, das am Liedschatz der westlichen, vor allem der angelsächsischen Kirchen ausgerichtete Buch wirklich repräsentativ für die Ökumene Ende der sechziger Jahre zu gestalten. [...] Das Vorhaben war anspruchsvoll. Es sollte ein ökumenisches Liederbuch entstehen, das sowohl den Grundstock des klassischen Liedschatzes der Kirchen enthielt als auch die growing points, den Neuaufbruch musikalischen und liturgischen Lebens in vielen Teilen der Ökumene spiegelte“ (Traitler: 364).

Ins Redaktionskommitee wurden auch Fred Kaan und Doreen Potter berufen. Eine anspruchsvolle Mammut-Aufgabe erwartete Doreen Potter. Aber sie war ihr wie auf den Leib geschneidert. Hier war sie mit ihrer Qualifikation, mit ihren besonderen musikalischen Gaben gefragt! 1970 beginnt die Arbeit des Redaktionsteams. Doreen ist die einzige Frau und zugleich die einzige Vertreterin der überseeischen Kirchen und damit die alleinige Repräsentantin der Kirchen der sogenannten 3. Welt in diesem Arbeitsstab. Um diese Rolle ausfüllen und gestalten zu können, waren zwei Charaktereigenschaften wichtig, die Philip Potter so umschreibt: Sie war „an open person“ und „a strong character“ (in einem Gespräch bei Potters im August 2011) – sie war ein offener Mensch und eine starke Persönlichkeit mit klaren eigenen Auffassungen. Dieter Trautwein, der ebenfalls Mitglied des Teams war, schreibt zum Projekt Cantate Domino: „Doreen steuerte von Anfang an Melodien bei, die der karibischen Kultur entsprachen“ (Traitler: 364).  „In ihrer so freundlichen und eher sanften Art ließ sie uns erkennen, daß die Zeit der Einbahnstraße von den Europäern und Nordamerikanern zu den ‚Eingeborenen‘ in Afrika oder Mittelamerika auch in den Kirchen beendet werden musste“ (Fischer u.a.: 63).

Sie „hat damals fast das gesamte Notenmaterial betreut, später auch die Manuskripte bis zum Druck vorbereitet und dafür gesorgt, daß das Buch pünktlich 1974 im Bärenreiter-Verlag herauskam“ (Traitler: 365). Bitter ist für Doreen Potter, dass der Herausgeber der Melody Edition (Singeheft ohne Begleitsätze), der englische Kirchenmusiker Dr. E. Routley, Doreen Potter’s grundlegende Arbeit für dieses Gesangbuch in der Einführung für die Erstausgabe zunächst mit keinem Wort erwähnte. Sie selbst ist noch einen Monat vor ihrem Tod nach London gereist, um sich für eine Veränderung des Vorwortes einzusetzen, in dem nun auch sie und die Sekretärin als Mitarbeiterinnen erwähnt werden.

In Cantate Domino haben sieben Lieder von Doreen Potter Eingang gefunden.  

Nach dem Erscheinen der Singeausgabe von Cantate Domino 1974 hatte es Doreen übernommen, zusammen mit Eric Routley eine Chorausgabe (Full Music Edition) zusammenzustellen. Sie komponiert zu vielen der Lieder, die in Cantate Domino erscheinen, vierstimmige Sätze, nicht nur zu ihren eigenen Kompositionen. Sie verbergen sich unter der Abkürzung „Harm. C.D.“ (Harmonised Cantate Domino) im Inhaltsverzeichnis und bedürften noch der genauen Identifikation. Diese Arbeit hat sie „im letzten Jahr ihres Lebens im wahrsten Sinne des Wortes auf den Beinen gehalten“ (Traitler: 366). Sie wusste, dass sie sterbenskrank war (zu spät diagnostizierter Brustkrebs), aber sie wollte diese Aufgabe vollenden: fast genau einen Monat vor ihrem Tod, am 27. Mai 1980, wurde die Chorausgabe (Full Music Edition) von Cantate Domino in einer kleinen Feier im Ökumenischen Zentrum vorgestellt. Doreen Potter ist nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Sie stirbt am 24. Juni 1980.

„Cantate Domino“, Doreen‘s Leitmotiv, lautet auch die Inschrift auf ihrem Grabstein. Bei der Trauerfeier für Doreen Potter am 27. Juni 1980 hat Elisabeth Raiser eins ihrer Lieder gesungen: „Today I live“ (Noten mit Text, vierstimmiger Satz sind unten im Downloadbereich aufzurufen). Seine Entstehungsgeschichte ist noch einmal ein lebendiges Zeugnis der engen Zusammenarbeit zwischen Fred Kaan und Doreen Potter. Sie sagte ihm einmal, dass er in keinem seiner Texte das Thema „Tod“ thematisiert habe. Kaan nahm die Herausforderung an. Er dichtete eine „Hymne in der 1. Person Singular“, ein persönliches Bekenntnis.

(Zum Foto: Das Grab von Doreen Potter in Meyrin/Genf; Copyright: Heiko Schierenberg)

Today_I_live-a_hymn_in_the_first_person_singular.pdf

Jesus_where_can_we_find_you_engl.pdf

Reformatorische Impulse

„Cantate Domino“ – diese Überschrift bindet Doreen Potter mit der Reformation zusammen. Luther hat im Rahmen des Gottesdienstes neben der Predigt den Choral als gleichwertige Möglichkeit der Verkündigung eingeführt. Er schreibt 1530 in einem Brief an seinen Musikerfreund Ludwig Senfl „Ich halte dafür, dass nach der Theologie keine Kunst ist, die mit der Musica kann verglichen werden“. In dieser Tradition steht auch Doreen Potter. Das Kirchenlied ist Ausgangs- und Zielpunkt ihrer musikalischen Studien. Lieder entstehen im Zusammenhang mit Vorträgen, Bibelarbeiten, Gottesdienstvorbereitungen und eigenen theologischen Reflexionen.

Ähnlich wie Luther auf seine kirchliche und kulturelle Tradition zurückgreift und lateinische Hymnen ins Deutsche überträgt, nimmt  Doreen die musikalische „Sprache“ ihrer karibischen Heimat auf und verarbeitet sie in ihren Kompositionen. „Doreen was always interested to figure out the relation of jazz to calypso and reggae“ (Potter: Unveröffentlichtes Manuskript). Sie findet ihre eigene Tonsprache in einer Synthese von karibischer und europäischer Musiktradition. Zugleich ist es ihr wichtig, die biblische Botschaft in Form von neuen Liedtexten immer wieder aktuell zu „übersetzen“, und in Fred Kaan hat sie darin einen kongenialen Partner. Beide gemeinsam machen den befreiungstheologischen Ansatz für die Erneuerung des Kirchenlieds fruchtbar. Eindrucksvoll zeigt sich diese „Verdolmetschung“ zum Beispiel in ihrem Lied „Magnificat now!“ Die erste Strophe beginnt mit dem Text „Sing we a song of high revolt!“ Das Magnificat bekommt einen provozierend neuen Klang ...

Das Gemeindelied ist zugleich Ausdruck von Partizipation für Doreen. „From 1968 she was doing the correspondence work in preparation for Cantate Domino revision“ (Potter: Unveröffentlichtes Manuskript). D.h. sie ermutigt die überseeischen Kirchen geduldig, neue, in ihrer eigenen Kultur verwurzelte Lieder für Cantate Domino einzusenden, um die Vielfalt ökumenischen Liedguts im neuen Gesangbuch abzubilden. Mit ihrer Musik ist Doreen auch sehr aktiv an der Gestaltung der Abschlussgottesdienste der Vollversammlungen des ÖRK in Uppsala und Nairobi beteiligt. Die „singende Gemeinde“ hat sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit gestaltet, ganz in lutherischer Tradition. 

Kommentar

In all ihren vielfältigen musikalischen Arbeiten bleibt Doreen zunächst die „Frau von“, die zwar ihre Nische für eigene sehr produktive Aktivitäten entdeckt und gestaltet, aber es sind alles ehrenamtliche Tätigkeiten. Sie bleibt im Hintergrund, ist selbstverständliche Gastgeberin für Besuche aus aller Welt, obwohl sie nur ungern kocht. Katharina von Boras Rolle übernimmt – wie viele Pastorenfrauen – auch sie. Hilfe nimmt Doreen nur in Anspruch, wenn mehr als 40 Personen zu bewirten sind! Die Loyalität zu Philip ist die selbstverständliche Säule ihrer Ehe.

Angesichts vieler durch den Beruf bedingter Belastungen und Anfeindungen sowie einer kritischen Distanz zum kirchlichen Establishment sagt Philip Potter: „We had to stick together“, sonst wäre seine aufreibende Tätigkeit nicht durchzuhalten gewesen. Dass Doreen Potter sich, schon vom Tod gezeichnet, für die Erwähnung ihrer Mitarbeit an Cantate Domino stark macht, ist wohl eine Frucht ihrer Beschäftigung mit dem Feminismus. Sie hat viele Bücher dazu gelesen, sich für die Ordination von Frauen eingesetzt, Frauenprojekte im Südpazifik unterstützt; aber es fehlten Kraft und Mut, diese Anliegen herunter zu buchstabieren in den privaten Bereich. Schmerzlich, dass gerade die Feminismus-Debatte letztlich dazu geführt hat, dass Cantate Domino sich nicht durchgesetzt hat: viele Liedtexte wurden in den 80iger Jahren als sprachlich zu patriarchal kritisiert. In einem Lied hat Doreen Potters Auseinandersetzung mit dem Feminismus seinen Niederschlag gefunden: „You who made me woman“ (Noten mit Text als pdf weiter unten im Downloadbereich).

Doreen teilt das Schicksal vieler Kirchenfrauen: ihre Geschichte ist so gut wie undokumentiert. Bis auf den Essay von Traitler in dem Sammelband „Ich bin was ich bin. Frauen neben großen Theologen und Religionsphilosophen des 20. Jahrhunderts“ gibt es kaum schriftlichen Zeugnisse über ihr Leben. Als das Buch in Taschenbuchversion erschien, fehlte darin der Beitrag über sie. Der Verlag konnte auf Nachfrage keine Begründung für diese Entscheidung nennen. Doch die Autorin selbst hat eine Vermutung:„Ich wusste gar nicht, dass es ein Taschenbuch bei Gütersloh gab. Es wundert mich aber nicht, dass Doreen Potter dort nicht vorkommt. Als die Redaktorin Esther Röhr mich anfragte, bei dem Projekt mitzuarbeiten, schlug ich Doreen Potter vor. Die erste Antwort von Frau Röhr lautete, dass es ein Buch über die Frauen bedeutender Theologen des 20. Jahrhunderts werden sollte. Philip Potter gehörte für sie nicht zu diesem Club der Bedeutenden (samt und sonders deutsche/deutschsprachige Theologen). Ich musste Frau Röhr überreden, im 20. Jahrhundert auch die Verlagerung der Theologie von der ‚Mitte an den Rand‘ sichtbar zu machen. Jedenfalls hatte ich damals nicht das Gefühl, dass die Redaktorin mein Ansinnen wirklich mitgetragen hat“ (R. Traitler in einer Email an U. Schierenberg vom Sept.2011).

So wurde Doreen Potter posthum doppelt diskriminiert: als Frau eines schwarzen Theologen und als Musikerin gleichermaßen. Der eurozentrische Blick, den Doreen schon kritisiert hatte, ist offenbar nach wie vor lebendig.

Die Wertschätzung ihrer musikalischen Arbeit hat Doreen vor allem bei den Vollversammlungen des ÖRK in Uppsala 1968 und Nairobi 1975 erfahren. Sie tritt in den 70iger Jahren sichtbar aus dem Schatten ihres Mannes heraus: sie hat bei der Vollversammlung in Nairobi alle neuen Lieder aus Cantate Domino eingesungen und wirkt als Beraterin im Gottesdienstausschuss mit – selbstbewusst und hartnäckig vertritt sie ihre Positionen. Sie arbeitet mit dem Peter-Janssen-Gesangsorchester zusammen und begeistert auf dem Kirchentag 1979 in Nürnberg singend und tanzend die Menschen für die neuen Lieder aus der Ökumene.Wenig später erhält sie die niederschmetternde Diagnose: Brustkrebs. All ihre verbleibenden Kräfte widmet sie der Fertigstellung der Full Music Edition von Cantate Domino und erlebt, schon vom Tod gezeichnet, die Präsentation des Werkes.

Eine Erforschung und Würdigung von Doreen Potters Werk steht noch aus. Die Tondokumente, die es von ihren eigenen Liedern, von ihr selbst am Klavier begleitet, gibt, hat die Witwe von Dieter Trautwein dankenswerterweise ins Archiv des ÖRK nach Genf gegeben. Sie bedürften der Archivierung und Restaurierung, um diesen Schatz zu sichern und der wissenschaftlichen Bearbeitung zugänglich machen zu können.

Doreen’s Heimatland Jamaika hat sich mit der Unabhängigkeit einen Wahlspruch gegeben: out of many – one people. Ein Motto, das auch das musikalische Lebenswerk der „ersten Sängerin der Ökumene“ (Kasper: 173) Doreen Potter charakterisiert. In einem der Lieder aus „Break not The Circle“ klingt es durch:

Gathered here from many nations,

one in worship and intent,

let us for the days that face us

all our hopes to God present,

thatour common life may be

full of life and truly free.

You_who_made_me_woman.pdf

Zum Weiterlesen

Cantate Domino. Full Music Edition. Oxford University Press 1980.

W. Fischer/D. Monninger/E. Schweizer (Hrsg.): Werkbuch zum Evangelischen Gesangbuch, Lieferung VI: Lieder aus anderen Ländern und Sprachen, Göttingen 2000.

F. Kaan/D. Potter: Break not The Circle, Illinois 1975.

G. Kasper u.a. (Hrsg.): Eva, wo bist du? Frauen in internationalen Organisationen der Ökumene, Gelnhausen 1981.

Ph. Potter: Notes on the Portrait of Doreen [bisher unveröffentlichtes Manuskript].

R. Traitler: „By grace, not by nature“. Doreen Potter, in: E. Röhr (Hrsg.), Ich bin was ich bin. Frauen neben großen Theologen und Religionsphilosophen des 20. Jahrhunderts, 2. Aufl., Gütersloh 1998, 345-378.

D. Trautwein: Komm, Herr, segne uns. Lebenserinnerungen, Frankfurt a.M. 2003.