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Anna Veltmans

Eine erfolgreiche Kauffrau mit christlich geprägter Wirtschaftsethik

Ein Beitrag von Brigitte Fenner/Erika Rüter

Anna Veltmans

Lebensdaten:

1604 - 1665

Unter weiteren Namen bekannt als:

Die Böndelsche


Beziehungen

Sie wurde geboren als Tochter von Johan Veltmans und seiner Frau Ilsabein Veltmans, geb. Grabben. Sie wuchs mit einem Bruder auf, der eventuell aus einer anderen Ehe des Vaters stammt.

Ihr Vater selbst war zunächst Kantor am Lemgoer Gymnasium und später Pfarrer an der St. Nikolaikirche. Der Großvater mütterlicherseits war ebenfalls Pfarrer (in Hillentrup bei Lemgo). Sie wuchs also in einem kirchlich geprägten Umfeld auf, welches die Umbrüche der Reformation in Lippe aktiv mitgestaltete. So wurde der Vater 1609 für einige Monate inhaftiert, als es darum ging, in Lemgo das reformierte Bekenntnis einzuführen. Als in der Stadt das lutherische Bekenntnis durchgesetzt war, kehrte er auf die Pfarre St. Nicolai zurück, verstarb aber nur zwei Jahre später mit nur 41 Jahren.

Anna Veltmans wird später nachgesagt, dass sie selbst auch als Erwachsene, Kauffrau und Familienvorstand regelmäßig die Psalmen las. Ob sie in eine Schule ging, ist nicht gesichert. Andererseits hat sie mehr als Rechnen und Schreiben gelernt, was ihr als Kaufmannsgattin zugutekam. Ihre wichtigsten Beziehungen sind zunächst ihre familiären Bindungen.

Anna Veltmans heiratete zunächst Jakob Spruthe, mit dem sie drei Kinder hatte. Er starb früh, so dass sie mit 32 Jahren verwitwete. Durch Jakob Spruthe erhielt Anna Veltmans Einblicke in kaufmännisches Handeln, genauer gesagt in den Leinenhandel, sie unterstützte ihn in der Buchführung und anderen Dingen. Da sie schon zu diesem Zeitpunkt als „geschäftstüchtige und angenehme Ehepartnerin gegolten“ hat und man ihr „eine glückliche Hand im Umgang mit NachbarInnen, GeschäftspartnerInnen und Gesinde“ (Bender-Wittmann: 157) nachsagte, warb der aussichtsreiche Aufsteiger Herman Böndel jun. um ihre Hand. Durch diese zweite Ehe ging sie in Lemgo unter dem Namen „die Böndelsche“ in die Stadtgeschichte ein.

Obwohl ihr zweiter Ehemann aus juristischen Gründen die Rechtsgeschäfte führen musste, ist dennoch nachgewiesen, dass Anna Veltmans weiterhin den Verlagshandel weitgehend eigenständig betrieb, Absprachen mit den ländlichen Webern traf, Kredite und Vorschüsse vergab, Ware entgegennahm und kontrollierte und auch die Bücher führte (vgl. Bender-Wittmann: 160).

In den Zeiten des gegen sie eröffneten Hexenprozesses war zunächst ihr Ehemann Herman Böndel und nach dessen Tod ihr Sohn Arnold eine verlässliche Unterstützung. Aufgrund ihrer Handelsbeziehungen hatte sie aber auch Kontakte zu Weberinnen und Webern und anderen Personen, die im Hexenprozess bereit waren, für sie auszusagen. So sagte eine Müllerin, eine ehemalige Bedienstete im Haus Anna Veltmans, für sie aus: Ihre Herrin sei „öfters (zuerst) aufgestanden, hätte fleißig gebetet und Psalmen gesungen, welches sie nicht anders als für gut halte, und (sie) trauete sie nicht zu, daß sie sollte eine Hexe sein“ (zitiert bei Bender-Wittmann: 166).

Am 23. Dezember 1665 wird die 60-Jährige durch das Schwert als Hexe hingerichtet. Die Tötungsart galt als ein Akt der Gnade, für die ihr Sohn Arnold sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten eingesetzt hat.

Wirkungsbereich

Anna Veltmans erwirbt schon während ihrer ersten Ehe den Ruf, eine gute Ehefrau zu sein. Das bedeutet, dass sie in einem kaufmännischen Haushalt einem großen Gesinde vorstand, aber zugleich kaufmännisches Geschick bewies. Ihre Familie erlebte mit ihrer Hilfe einen stetigen wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg. Dies kam ihr in der zweiten Ehe, aber auch in ihrem zweimaligen Witwenstand zugute. Zum Verdruss mancher anderer Geschäftsleute zog sie sich auch als 50-jährige Witwe nicht aus dem Geschäftsleben zurück. Als einige Kaufleute in den sechziger Jahren eine sog. Leggesozietät aufbauen wollten, welche für sich das Monopol des Leinenhandels beanspruchte, verweigerte sie hartnäckig den Beitritt. Diese neue Marktstruktur hätte bedeutet, dass sie ihre eigenen Handelsprinzipien hätte aufgeben müssen. Diese waren aber dadurch gekennzeichnet, dass sie langfristige Handelsbeziehungen zu den LeinenproduzentInnen aufbaute. Sie lieferte ihnen das Saatgut und lieh ihnen bei Bedarf Bargeld zu fairen Bedingungen. Auf diese Weise sicherte sie sich das Vorkaufsrecht auf das produzierte Leinen. Damit schuf sie eine Art „win-win-Situation“. Zwar standen die WeberInnen zweifellos in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrer Verlegerin, doch bot ihnen dieses Abhängigkeitsverhältnis eine Sicherheit, indem sie verlässliche Preise machte (vgl. Bender-Wittmann: 175). Es heißt, dass viele Bewohnerinnen der umliegenden Lemgoer Dörfer die eigene Zahlungsunfähigkeit befürchteten, wenn sie ihr Leinen nicht mehr bei Anna Veltmans verkaufen oder bei ihr in Notzeiten eine Verlängerung ihrer Kredite erwarten könnten (vgl. Bender-Wittmann: 179).

Reformatorische Impulse

Anna Veltmans stammt aus einem Pfarrhaus, hat selbst aber in eine Handelsfamilie eingeheiratet. Insofern hat sie nicht durch eigene Schriften oder Lieddichtungen reformatorisch gewirkt. Aber sie hat durch ein anderes Wirtschaften Stärke bewiesen. Ob sie dabei von Martin Luther geprägt war, der sich ja zum Zinsnehmen äußerst kritisch geäußert hatte, wissen wir nicht. Es scheint aber sehr wahrscheinlich, dass Anna Veltmans bei ihrem kaufmännischen Handeln Prinzipien umgesetzt hat (und ihnen treu geblieben ist), die in heutiger Zeit in der Mikrokreditbewegung und im fairen Handel die Grundlagen der Vertragspartnerschaft bilden. Mit ihren Prinzipien und ihrem Erfolg eckte sie an und schuf sich Widersacher. Da man ihr mit Blick auf ihre Kompetenz und die Führung ihrer Geschäftsbeziehungen nichts vorwerfen konnte, fanden ihre Konkurrenten und der von ihnen durchsetzte Rat der Stadt Lemgo einen anderen Weg, sich ihrer zu entledigen. Durch ein erpresstes Geständnis einer anderen unschuldig verfolgten Frau wurde sie bezichtigt, ihre häuslichen Pflichten und die Pflichten gegenüber ihrem Ehemann vernachlässigt zu haben. Dieses Anfangsgerücht wurde dann im Laufe des Prozesses bis hin zu dem Vorwurf gesteigert, sie sei „die Feindin des Gemeinwohls“ (Bender-Wittmann: 184). Tatsächlich aber war sie im besten Sinne des Wortes eine „Freundin des Gemeinwohls“. Sie hat nach Wirtschaftsformen gesucht, die dem Gebot der Nächstenliebe standhalten können. Sie hat Sicherheit und ein verlässliches Auskommen für alle diejenigen ermöglicht, die am Wirtschaftsprozess des von ihr geleiteten Leinenhandels beteiligt waren.

Kommentar

Uns gefallen die Selbstbestimmtheit und die Selbstständigkeit Anna Veltmans. Neben der Hausfrauen- und Mutterrolle bewältigte sie die Organisation einer Patchworkfamilie und war daneben oder gar im Hauptberuf als Kauffrau tätig. Als solche war sie dank ihrer Begabungen und ihrer sozialen Kompetenzen erfolgreich. Umsicht, Verantwortungsbewusstsein und Unerschrockenheit zeichneten ihr Handeln aus. Im Konflikt mit Neidern blieb sie gradlinig. Dafür bezahlte sie mit dem Leben. Anna Veltmans bewies in der Bewältigung ihrer Lebenssituationen Mut: Als Witwe, im Zusammenhalt der aus zweiter Ehe entstehenden Patchworkfamilie, in der Verbindung von Familie und Beruf und den Anfeindungen, denen sie dadurch ausgesetzt war. In all diesen Situationen liegt bis heute eine Brisanz und Herausforderung für das Leben von Frauen.

Zum Weiterlesen

U. Bender-Wittmann: „Communis salutis hostis“. Die Kauffrau Anna Veltmans, in: G. Wilbertz/J. Scheffler (Hrsg.), Biographieforschung und Stadtgeschichte. Lemgo in der Spätphase der Hexenverfolgung (Studien zur Regionalgeschichte Bd. 5), Bielefeld 2000, 150-184.